Vor wieder einmal ausverkauften Haus präsentierte der Culturkreis Geldern
die amerikanisch – italienische Formation „Big Daddy Wilson“ als Auftakt
seiner Trilogie für 2019.
Die 4 – köpfige Band, die schon Auftritte in ganz Europa und auch gelegentliche
Präsenz in den USA unter Beweis stellt – unter anderem auch im legendären Memphis, Tennessee - war zum ersten Mal zu Gast in Geldern.
Bandleader und Sänger Wilson Blount gehört nicht zu denen, die den Blues
mit der Muttermilch aufgesogen haben, denn in seiner Heimatstadt Charlotte /
North Carolina spielen Gospel und Spirituals die erste Geige, der Blues folgt erst
in gehörigem Abstand. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Wilson seine
musikalische Jugend in „gospel choirs“ verbrachte. Seine ersten Kontakte mit der
Blues Szene machte Wilson während seines ersten Deutschland – Aufenthaltes,
der ihn in ein US military camp bei Butzbach / Gießen führte, wo er nicht nur
seinen Militärdienst absolvierte, sondern auch Clubs besuchte, die von deutschen
und amerikanischen Blues – Bands dominiert wurden. Von da an hatte ihn der
Blues gepackt, und aufgrund seiner musikalischen Grundausbildung daheim in
North Carolina fiel es ihm nicht schwer, schon bald die Bühnen der hessischen Blues Clubs zu erobern. Als er nach seinem Militärdienst seinem neuen Lieblingsland Deutschland einen zweiten Besuch abstattete, der ihn in den Raum Bremen führte, war er bereits eine feste Blues Größe und er baute sich Bands auf, die ihn zunächst
in seiner neuen norddeutschen Heimat begleiteten.
Mehr oder minder zufällig begegnete er bei einem solcher Auftritte dem italienischen
Bassisten Paolo Legramandini aus Bergamo, der sich bereits einen Namen in der internationalen Blues Szene gemacht hatte, weil er schon eine Zeit lang in der Begleitband von Louisiana Red gespielt hatte. Paolo wiederum empfahl Wilson drei italienische Kumpels aus Mailand, die sich allesamt dem Blues verschrieben hatten, und so bildete sich allmählich die Band heraus, die am heutigen Abend die Bühne im heimischen Gasoline Blues Club enterte : Wilson Blount ( Gesang / Tamburin ), Paolo Legramandini ( Bassgitarre ), Cesare Nolli ( Lead Guitar ) und Nik Taccori ( Schlagzeug ). Der fünfte im Bunde war Enzo Messina ( Piano ), der jedoch nur sporadisch dabei ist und auch beim heutigen Auftritt nicht dabei war.
Mit seiner Erfahrung von 35 Jahren in der Blues Szene hat sich Big Daddy Wilson
ein enorm breites Spektrum von Rhythm & Blues und Artverwandtem aufgebaut,
und daran ließ er sein begeisterungsfähiges Gelderner Publikum in reichem Maße teilhaben, was sich vor allem in der 2.Hälfte seines Auftritts auswirkte.
Den Konzertauftakt bildete Wilson zunächst alleine mit Cesare Nolli an der
Gitarre, indem er den „work song from Cherokee County“ anstimmte, in den
dann nach und nach Paolo und Nik einstiegen und das Tempo und den Beat
verschärften. In den folgenden Stücken des ersten Teils bildete sich der
typische Sound dieser Band heraus, der vom Wechselgesang Wilsons mit
seinen drei Instrumentalisten lebte, die allesamt mit Gesangsmikrofonen
ausgestattet waren und gelegentlich auch mal die Gesangsführung übernahmen.
Mit Ausnahme des Traditionals vom Konzertbeginn dominierten hier Wilsons
Eigenkompositionen.
Der zweite Teil des Abends war anders aufgebaut : die Band steuerte auf drei
zentrale Musikblöcke hin, die jeweils 15 bis 20 Minuten in Anspruch nahmen.
In jedem seiner längeren Stücke erfüllte Wilson seinen Anspruch als
„storyteller“, indem er Geschichten „erzählte“, die auch als gedruckte „short
story“ ihre Leser gefunden hätten. Das erste Highlight dieser Reihe war
„Texas Boogie“, in dem es zunächst „soft and easy“ losging, als Wilson seine
Erlebnisse einer „cross country“ Tour durch den südlichsten US – Staat schilderte.
Zum Ende des „Texas Boogies“ war es dann allerdings nicht mehr so „soft and easy“,
als die Band im besten Stil von „ZZ Top“ - was ja sehr gut zu Texas passt -
Blues Rock vom Allerfeinsten präsentierte.
Das zweite Highlight „Neck Bone Stew“ überraschte mit einem „Spiritual“
Auftakt, gefolgt von einem „traditional Blues“ Mittelteil, und im Schlußteil
hatte Wilson das Publikum dann endgültig in Bewegung versetzt, als seine Band
das Stück in einem Rhythmus zu Ende brachte, der den jamaikanischen
Reggae Größen zur Ehre gereicht hätte. Der Kritiker von „Rocktimes“ beschreibt „Neckbone Stew“ so : „mit Neckbone Stew hat Big Daddy Wilson viele
verschiedene Zutaten zu einem persönlich gewürzten, herrlich mundenden Eintopf vermischt. Chapeau ! Da werden viele Musiker neidisch und wollen ein solches Rezept auch bekommen.“
Der Schlußteil - „Country Boy“ - setzte diesem grandiosen Auftritt dann noch
die Krone auf : ursprünglich ein „Heimatlied“ aus North Carolina, das es am
Anfang und am Ende auch war, peppte die Band dieses Stück durch einen
gewaltigen Mittelteil auf, der einen Querschnitt durch die US Rock & Soul History der
60er Jahre darstellte. Dieses Medley beinhaltete Songs von Wilson Pickett,
Otis Redding, Michael Jackson( ! ), Peter Tosh – also nicht nur die USA, sondern auch Jamaica war vertreten– Tempations, Ben E. King, Smokey Robinson & Miracles, Marvin Gaye und James Brown. Zwischendurch kehrte die Band immer wieder zum musikalischen Motiv von „Country Boy“ zurück, und beendete diesen gewaltigen Block auch mit dem Schluß dieses Songs.
Dass danach das Publikum nicht eher Ruhe gab, bis es noch eine mindestens 15-minütige Zugabe bekam, zeigt, dass es in der Geschichte der Culturkreis – Konzerte kaum einen Auftritt gab, der das Publikum mehr begeisterte als dieser, der fast 3 Stunden in
Anspruch nahm.
Bericht: Stefan Perry